Leipzigs Fußballhoffnung

Leipzigs Hoffnung saß am Boden. Sie schaute interessiert auf das Treiben im Büro des Organisations-Komitees der Fußball-WM 2006 im Frankfurter Flughafen-Centre, nachdem ihre Arbeit erledigt war. Viele wichtige Worte waren vorher gefallen, wie das halt so ist bei einer Präsentation. Paul Stöbe gehörte zur Leipziger Delegation, die gestern als 15. von insgesamt 16 Bewerbern erklärte, warum ausgerechnet sie zu denen gehören soll, die WM-Spiele in ihrer Stadt austragen dürfen. Die Vorgänger hatten allesamt ihre großen aktuellen Fußball-Zeiten gepriesen, die im neuen Stadion prächtige Atmosphäre sorgen würden. Der letzte Kandidat erst recht, denn das war München, die Stadt des Deutschen Meisters, des Siegers der Champions League und des Weltpokals.

Leipzig mit seinem Viertliga-Gekicke kann da nicht viel Staat machen und hatte sich daher für eine andere Philosophie und eben Paul Stöbe entschieden. "Er ist unsere Fußball-Zukunft", sagte Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und legte dem Elfjährigen als Zeichen des großen Vertrauens die Hand auf die Schultern. "2006 kommt für mich noch zu früh, aber 2010 möchte zur Völler-Elf gehören", sagte der Stürmer der zweiten D-Jugend des VfB Leipzig. Nun hat der deutsche Teamchef zwar erst einen Vertrag bis zur WM im eigenen Land unterzeichnet, aber ein Engagement darüber hinaus ist ja nicht auszuschließen. Jedenfalls trug der Schützling von Marcel Neutzsch und der Schüler des Leipziger Johannes-Kepler-Gymnasiums mit dieser Bemerkung für noch mehr Lockerheit in der Runde bei. Die OK-Vizepräsidenten Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt lachten, wirkten angesichts der vielen Vorstellungen in den letzten Tagen nicht genervt und zeigten sich - wie bei den anderen Bewerbern auch - angetan von der Präsentation.

Leipzig hat bekanntlich gute Karten, zu den letztlich zwölf Spielorten zu gehören (die Entscheidung fällt im April). Da ist vor allem das Wort von Egidius Braun, dem Ehrenpräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der die Gründerstadt des DFB von Anfang an berücksichtigt wissen wollte. Das zählt. "Wir können aber nicht automatisch sagen, dass Leipzig Austragungsort sein wird", dämpfte Schmidt. "Deswegen sind wir auch nicht hier, sondern wir bewerben uns wie jeder andere auch", entgegnete Tiefensee. In keiner anderen Stadt sei eine solche Aufbruchstimmung zu spüren, warb er. Eine Angleichung der Verhältnisse zu anderen deutschen Städten werde mit der WM schneller erreicht, auch der Fußball würde vom Aufschwung profitieren. Die Leipziger Stadionpläne jedenfalls können sich im Vergleich zur Konkurrenz durchaus sehen lassen. "Wir liegen gut im Plan", bekräftigt Tiefensee, verweist auf bereits verbaute 50 Millionen Mark der Besitzergesellschaft EMKA. Die 100 Millionen des Bundes und die 23 Millionen der Stadt bilden den Rest. Auch für die Motivation des Stadionbetreibers sei es wichtig, dass die WM komme, schiebt Bürgermeister Holger Tschense nach. Die WM kommt, so der gestrige Eindruck. Vorausgesetzt freilich, die Leipziger erledigen ihre Hausaufgaben weiterhin, wie es sich gehört.

Ob Paul 2006 noch in Leipzig ist? Der freute sich gestern erst mal, vielleicht dazu beigetragen zu haben, dass die WM in seiner Heimat Station macht. Dann setzte er sich auf den Boden, da der offizielle Teil beendet war und schaute sich interessiert um. Dass er selbst weiter an der Pleiße bleibt, wird mit dem neuen Stadion ein bisschen wahrscheinlicher. Sein großes Ziel ist nämlich der FC Bayern. Die Glanzzeiten seines Vereins und des gesamten Leipziger Fußballs liegen schließlich schon eine ganze Weile zurück. Zu lange für einen Elfjährigen, um sich daran zu orientieren.


Artikel aus der Leipziger Volkszeitung vom 15.12.2001 / Text unter Bild: Leipzigs OBM Wolfgang Tiefensee mit dem elfjährigen WM-Botschafter Paul Stöbe. Der zeigt stolz ein Foto des dreifachen Deutschen Fussball-Meisters VfB Leipzig.


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